Familie vor dem Haus

Geplante Einführung mietrechtlicher Verordnungen in Niedersachsen trifft auch Osnabrück

07.04.2016

(Bie) Der Wohnungsmarktbericht 2014/2015 der Investitions- und Förderbank Niedersachsen (NBank) stellt fest, dass auch in Niedersachsen in einzelnen Regionen mittlerweile von einer angespannten Wohnungsmarktlage gesprochen werden muss. Dies soll auch für die Stadt Osnabrück gelten.

Eine angespannte Wohnungsmarktlage liegt vor, wenn die ausreichende Versorgung der Bevölkerung mit Mietwohnungen zu angemessenen Bedingungen besonders gefährdet ist. Nach dem Bericht der NBank ist der Wohnungsmarkt in der Stadt Osnabrück angespannt, weil dort

1. die Mieten deutlich stärker steigen als im bundesweiten Durchschnitt,
2. die durchschnittliche Mietbelastung der Haushalte den bundesweiten Durchschnitt deutlich übersteigt,
3. die Bevölkerung wächst, ohne dass entsprechend neuer Wohnraum geschaffen wird, und
4. geringer Leerstand bei großer Nachfrage besteht.

Kritik:
Nicht alle Datengrundlagen, Berechnungen und Interpretationen des NBank-Berichtes können anhand der zum Teil kurzen Beschreibungen in der Studie nachvollzogen bzw. geteilt werden: So ist fraglich, ob durch den Wohnungsmarktbericht überhaupt angespannte Wohnungsmärkte in Niedersachsen rechtmäßig festgestellt worden sind. Die dazu angewandte Methode ist zweifelhaft. Der Wohnungsmarktbericht legt zur Ermittlung der Wohnungsmieten überwiegend Angebotsmieten zugrunde, die aus Annoncen stammen. Diese Angebotsmieten haben aber in der Betrachtung nichts zu suchen; sie verkörpern Wünsche, bilden aber die am Markt erzielten Mieten nicht ab und lassen so keine Rückschlüsse auf bestehende ortsübliche Vergleichsmieten zu. Entscheidend sind alleine Bestandsmieten, die nach Marktsegmenten zum Beispiel für den Bereich der Ein- bis Zweizimmerwohnungen, der stadtnahen Lagen oder der Ortsränder oder auch für den Bereich für Einfamilienhäusern nicht nur zu bestimmen, sondern aufzugliedern sind.

Auch der im NBank-Bericht gewählte Untersuchungszeitraum von 2010 bis 2014 ist willkürlich und falsch. Der Gesetzgeber fordert ausdrücklich, dass die aktuellen Marktverhältnisse im Jahre 2016, also zur Zeit der geplanten Einführung einer Mietpreisbremse, den angespannten Wohnungsmarkt zeigen müssen. Ebenso hat Zeitraum von vier Jahren bei der Betrachtung der Marktverhältnisse innerhalb der Diskussion um eine Mietpreisbremse nichts zu suchen und findet im Gesetz keine Stütze. Vielmehr muss die Mietpreisbremse mit aktuellen Marktverhältnissen konkret begründet werden. Der Bundesgesetzgeber hat in seiner Ermächtigungsgrundlage zum Erlass solcher Rechtsverordnungen ausdrücklich die Begründungspflicht mit hineingeschrieben.

Ebenso in der Luft hängt die Annahme in der Studie, dass man bei einer mehr als zehnprozentigen Veränderung in den genannten Mietbereichen von einem angespannten Wohnungsmarkt sprechen kann. Diese Marge ist rein willkürlich „per Daumen“ festgelegt worden und entspricht nicht den Vorgaben des Bundesmietrechts.

 

Um den Nachfrageüberhang zu begegnen, will das Land Niedersachen u. a. durch verschiedene Rechtsverordnungen erreichen, die Wohnraumversorgung in Gebieten mit angespanntem Wohnungsmarkt zu verbessern. Das Land Niedersachsen prüft nun, das Stadtgebiet von Osnabrück in folgende, neu zu schaffende Rechtsverordnungen einzubeziehen:

1. Mietpreisverordnung (sogenannte „Mietpreisbremse“)
Die Mietpreisbremse begrenzt die zulässige Miethöhe bei Abschluss des Wohnraummietvertrages. Dabei darf die Miete bei Beginn des Mietverhältnisses die ortsübliche Vergleichsmiete nur um höchstens 10 Prozent übersteigen. Das gilt für alle Mietverhältnisse, ausgenommen für Vermietungen von Wohnungen, die nach dem 1. Oktober 2014 erstmals vermietet und genutzt werden sowie für die erste Vermietung nach umfassender Modernisierung. Eine höhere Miete kann nur dann verlangt werden, wenn diese bereits vom Vormieter geschuldet wurde.

Kritik:
Die gesetzliche Regelung des Bundes zur Mietpreisbremse ist ein Eingriff in die Vertragsfreiheit und in die Eigentumsgarantie und damit rechtswidrig. Ziel der Mietpreisbremse ist es, den Anstieg der Mieten einzudämmen. Die Ursache des Wohnungsmangels und der hohen Mieten werden aber nicht bekämpft. Die Mietpreisbremse schafft es nicht, in angespannten Wohnungsmärkten für ausreichend Wohnraum zu fairen Preisen zu sorgen:

– Die Mietpreisbremse schützt nicht Mieter, sondern finanzstarke Wohnungssuchende, die sich künftig mehr Wohnraum zu geringeren Mieten leisten können.
– Beliebte Stadtteile werden durch die Mietpreisbegrenzung noch attraktiver. Die Gentrifizierung (= Veränderung von Stadtteilen durch den Zuzug von Menschen) wird beschleunigt.
– Mit der Mietpreisbremse kann die Wirtschaftlichkeit der Wohnraumvermietung nicht mehr sichergestellt werden. Private Vermieter werden sich vom Markt zurückziehen. Der Staat wird diese Lücke nicht schließen können.

2. Kappungsgrenzenverordnung
Bei bestehenden Mietverhältnissen kann die Zustimmung zur Erhöhung der Miete grundsätzlich bis auf das Niveau der ortsüblichen Vergleichsmiete verlangt werden, wenn die Mieten in den letzten 15 Monaten nicht erhöht wurde. Von bestimmten Ausnahmefällen abgesehen, darf sich die Miete innerhalb von 3 Jahren allerdings um nicht mehr als 20 Prozent erhöhen (Kappungsgrenze). In den Gebieten, die von der Kappungsgrenzenverordnung erfasst sind, verringert sich dieser Prozentsatz auf 15 Prozent, dass heißt, die Miete darf innerhalb von drei Jahren um nicht mehr als 15 Prozent erhöht werden.

Kritik:
Die Möglichkeit zur Senkung der Kappungsgrenze gehört für Landesregierungen aller Couleur inzwischen zum guten Ton der Wohnungspolitik. Die Inhalte rücken dabei immer häufiger in den Hintergrund, damit möglichst schnell mieterfreundliches Regierungshandeln ermöglicht werden kann.

Die laut Gesetzt entscheidende Frage, ob eine kritische Wohnraummarktsituation besteht, wird dabei selten wissenschaftlich geprüft. Vielmehr wird den Landesregierungen bei der Beurteilung, ob ein Wohnraumnotstand besteht, maximaler Spielraum eingeräumt, der sich überdies einer einheitlichen Prüfung der Gerichte faktisch entzieht.

Zudem ist es kaum möglich, die Senkung der Kappungsgrenze auf bestimmte Gebiete zu beschränken. Dies hat letztendlich zur Folge, dass die Kappungsgrenze flächendeckend und ohne Begründung auf 15 Prozent gesenkt wird.

Im Ergebnis trifft die Kappungsgrenze von 15 Prozent überwiegend diejenigen Vermieter, die über Jahre hinweg – zum Glück und Vorteil ihrer Mieter – die Miete nicht erhöhen und deswegen mehr als 15 Prozent unterhalb der ortsüblichen Vergleichsmiete liegen. Daher sind jetzt alle Vermieter aufgefordert, regelmäßig die Miete zu erhöhen, und zwar alle 15 Monate an das Niveau der ortsüblichen Vergleichsmiete!

3. Kündigungssperrfristverordnung
Wenn ein Mietwohnungsobjekt durch Teilung nach dem Wohnungseigentumsgesetz in einzelne Eigentumswohnungen umgewandelt und verkauft werden soll, hat der Mieter ein gesetzliches Vorkaufsrecht. Häufig will oder kann der Mieter von diesem Vorkaufsrecht mangels finanzieller Möglichkeiten keinen Gebrauch machen. In diesen Fällen muss der Erwerber der Wohnung eine generelle dreijährige Kündigungssperrfrist beachten. Erst nach Ablauf dieser Frist kann sich der Erwerber der Mietwohnung auf Eigenbedarf oder auf die Hinderung an einer angemessenen wirtschaftlichen Verwertung des Grundstücks zur Begründung einer Kündigung berufen (sogenannte Eigenbedarfs- oder Verwertungskündigung). Mit der Kündigungssperrfristverordnung kann diese Dreijahresfrist in Gebieten mit angespannten Wohnungsmärkten auf bis zu zehn Jahre verlängert werden.

Die Landesregierung erwägt, die Kündigungssperrfrist bei Wohnungsumwandlung in den identifizierten Kommunen – so auch in Osnabrück – auf fünf Jahre zu verlängern. Damit soll ein angemessener Interessensausgleich geschaffen werden zwischen der Mieterschaft, die sich nach einer Kündigung um neuen Wohnraum bemühen muss, und den neuen Wohnungseigentümern, die die erworbene Wohnung selbst nutzen möchten.

Der Landesgesetzgeber hat nun vor, aus Gründen der Vereinfachung und Übersichtlichkeit aller drei Regelungen in einer Rechtsverordnung zusammenzufassen. Die Gültigkeitsdauer der Verordnung soll für alle drei Regelungsinhalte fünf Jahre betragen.

Die Verwaltung der Stadt Osnabrück hat der Landesregierung im Ergebnis eine positive Stellungnahme hinsichtlich des Erlasses der beabsichtigten Rechtsverordnungen abgegeben. Die Niedersächsische Landesregierung beabsichtigt nun, in 12 Städten Niedersachsens – und damit auch in Osnabrück – sowie auf den Ostfriesischen Inseln eine Mietpreisbremse für Neuvermietungen zu beschließen.

 

Fazit:
Vermutlich wird die geplante Einführung mietrechtlicher Verordnungen in Niedersachsen auch die Stadt Osnabrück treffen. Nun liegt es an dem Vermieter, die notwendigen Schritte einzuleiten: Bei bestehenden Mietverhältnissen sollte die Miete so weit wie möglich erhöht werden – und zwar vor Inkrafttreten der oben genannten Verordnungen. Und schon jetzt sollten die Regelungen der oben genannten Verordnungen bei der Vertragsgestaltung von neuen Mietverhältnissen beachtet werden.

Haus und Grund Osnabrück hat zu prüfen, ob weiterhin an den Gesprächen zum Osnabrücker Mietpreisspiegel teilgenommen werden sollte. Die Mietpreisbremse ist nämlich gleichzusetzen mit dem Ende der ortsüblichen Vergleichsmiete: Mit Einführung der Mietpreisbremse wird die ortsübliche Vergleichsmiete ausgehöhlt. Da in den betroffenen Gebieten künftig die gesetzlich regulierte Miete bei der Ermittlung der Vergleichsmieten berücksichtigt wird, handelt es sich nicht mehr um eine ortsübliche Vergleichsmiete, sondern um eine gesetzlich regulierte Vergleichsmiete. Die Mietpreisbremse beendet unmittelbar das Vergleichsmietensystem, an das sie selbst anknüpft. Dadurch wird – für alle Mietverhältnisse – eine staatlich festgesetzte Miete eingeführt.

Durch die oben genannten Verordnungen wird keine einzige Wohnung geschaffen! Aber gerade die Schaffung von Wohnraum muss unterstützt werden, vom Staat, vom Land und von der Kommune, z. B. durch die Förderung von Mietwohnungsbau, durch Steueranreize, durch die Ausweisung von Baugebieten, durch schneller Baugenehmigungsverfahren und durch schnellere Erschließungen von Baugrundstücken.