Familie vor dem Haus

HBCD-haltige Polystyrol-Dämmplatten sind Sondermüll

17.10.2016

(ZV) Die im Februar 2016 in Kraft getretene Neufassung der Abfallentsorgungsverordnung regelt unter anderem die Entsorgung von HBCD-haltigen Dämmplatten neu. Haus & Grund hat die häufigsten Fragen und Antworten zusammengetragen.

Was ist HBCD?
Hexabromcyclododecan ist ein ringförmiges, bromiertes Kohlenwasserstoffmolekül mit der chemischen Formel C12H18Br6. Der Stoff ist bei normalen Temperaturen fest und nur sehr wenig wasserlöslich. Seine wichtigste Eigenschaft: Er verzögert die Entzündung von Kunststoffen und verlangsamt die Ausbreitung der Flammen.

In welchen Produkten ist HBCD enthalten?
HBCD wird überwiegend in Dämmplatten aus expandiertem Polystyrol (EPS – allgemein bekannt als Styropor) und extrudiertem Polystyrol (XPS) verwendet. Darüber hinaus wird der Stoff in geringerem Umfang in Vorhängen und Möbelbezugstoffen sowie in Kunststoffgehäusen von elektrischen und elektronischen Geräten verwendet. Nach Angaben der Europäischen Chemikalienagentur ECHA werden in Europa jährlich rund 12.400 Tonnen HBCD eingesetzt (Stand 2013).

Warum ist HBCD gefährlich?
HBCD ist fortpflanzungsschädigend, sehr langlebig (persistent) und reichert sich in Organismen an (bioakkumulativ). Somit können seine toxischen Eigenschaften erst mit großer zeitlicher und räumlicher Verzögerung auftreten, nämlich wenn die kritische Konzentration überschritten wird. Im Labor lassen sich die Wirkungen nur schwer prüfen und damit kaum vorhersagen. Mittlerweile wird HBCD weltweit häufig und auch in entlegenen Regionen in der Umwelt nachgewiesen. Wer in einem Haus mit HBCD-haltigen Dämmplatten wohnt, muss nach heutigem Kenntnisstand bei fachgerechter Anwendung keine negativen Effekte auf seine Gesundheit befürchten. In der Nutzungsphase tritt nur wenig HBCD aus den Platten aus, das über die Luft oder den Hausstaub von den Bewohnern aufgenommen werden könnte. Ebenso sind in der unmittelbaren Umgebung kaum akute Umwelteinwirkungen zu erwarten.

Wie sieht die aktuelle Rechtslage aus?
Die EU hat HBCD bereits 2008 in die Liste der besonders besorgniserregenden Stoffe aufgenommen. Für sie fordert die EU-Chemikalienverordnung REACH eine Zulassungspflicht. Mit der internationalen Stockholmer Konvention wurde HBCD 2013 auch weltweit als schwer abbaubarer, organischer Stoff eingestuft. Die Stockholmer Beschlüsse wurden mit der sogenannten POP-Verordnung in EU-Recht umgesetzt. Seit 2015 gilt damit ein Herstellungs- und Verwendungsverbot für HBCD-haltige Dämmstoffe. Dieses Verbot zielt darauf ab, den weiteren Eintrag des Stoffes in die Umwelt zu unterbinden. Allerdings hat die EU-Kommission einem Firmenkonsortium, an dem auch ein deutsches Unternehmen beteiligt ist, eine Ausnahmezulassung erteilt. Dieses darf bis August 2017 HBCD in Dämmstoffen aus EPS verwenden.

Woran erkenne ich, ob ein Material HBCD enthält?
Aktuell sind noch HBCD-haltige Restbestände im Umlauf. Aufgrund der Ausnahmezulassung werden noch weitere Produkte in den Handel kommen. Wer jetzt Dämmplatten kauft, sollte das Produktdatenblatt genau unter die Lupe nehmen. Wer Materialien ausbaut und entsorgt, sucht möglicherweise vergeblich in seinen Unterlagen nach den dazugehörigen Produktdatenblättern. Für diesen Fall hat das Fraunhofer Institut für Verfahrenstechnik und Verpackung einen Schnelltest entwickelt.

Welche Alternativen gibt es zu HBCD-haltigen Dämmstoffen?
Die Industrie setzt mittlerweile als Flammschutzmittel in Dämmstoffen mehrere Ersatzstoffe für HBCD ein, welche nach heutigen wissenschaftlichen Erkenntnissen günstigere Umwelteigenschaften haben. Das Umweltbundesamt empfiehlt, alternative Dämm-Materialien wie Mineralwolle, Schaumglas oder Blähton und Dämmstoffe auf Basis von nachwachsenden Rohstoffen zu verwenden. Auch Polyurethan kommt ohne speziellen Brandschutz aus. Dämmstoffe mit dem Umweltzeichen Blauer Engel enthalten grundsätzlich kein HBCD.

Was bedeutet die neue Abfallverzeichnisverordnung für die Entsorgung von HBCD-haltigen Dämmstoffen?
HBCD-haltige Materialien gelten seit dem 1. Oktober 2016 als Sondermüll. Sie müssen damit getrennt und gesondert entsorgt werden. Darüber ist ein Nachweis zu führen. Für den Verbraucher ist die Entsorgung damit insgesamt mit Mehraufwand und mit Mehrkosten verbunden. Die Gesamtkosten sind noch nicht vorhersehbar. Nach ersten Schätzungen der Bauindustrie könnte die Entsorgung des Dämmmaterials 3750 bis 6500 Euro pro Tonne kosten. Für herkömmliche Baumischabfälle, zu denen die Platten bisher zählten, fallen dagegen pro Tonne lediglich 250 bis 300 Euro an.