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04.11.2011Hauseigentümer, die mit dem Gedanken spielen, ihr Dachgeschoss auszubauen, sollten sich noch in diesem Jahr entscheiden. Das rät der Verein Haus und Grund Osnabrück. Laut Energieeinsparverordnung (EnEV) 2009 müssen begehbare, bisher ungedämmte oberste Geschossdecken beheizter Räume bis zum 31. Dezember 2011 so gedämmt werden, dass der Wärmedurchgangskoeffizient der Geschossdecke 0,24 Watt/(m2·K) nicht überschreitet (§ 10 Abs. 4 EnEV). Betroffen sind alle Wohngebäude und Nichtwohngebäude, die nach ihrer Zweckbestimmung jährlich mindestens vier Monate und auf Innentemperaturen von mindestens 19 Grad Celsius beheizt werden. Alternativ kann auch das darüber liegende, bisher ungedämmte Dach entsprechend gedämmt werden.
Je höher der Wärmedurchgangskoeffizient, desto größer ist der Wärmeverlust. Bei einem typischen Einfamilienhaus aus den 50er Jahren macht der Wärmeverlust durch das ungedämmte Dach zwischen 15 und 20 Prozent des gesamten Wärmeverlustes aus. Ziel ist es, die Energieverluste der Gebäudehülle „nach oben“ zu minimieren. Für nicht begehbare oberste Geschossdecken gilt eine entsprechende Dämmpflicht schon seit dem 1. Februar 2002.
„Nur wenn das Dachgeschoss ausgebaut werden soll, ist eine Dachschrägendämmung sinnvoll. Wer das Dachgeschoss nicht nutzen möchte, sollte die Geschossdecke dämmen“, rät Rechtsanwalt Christian Biemann, Geschäftsführer von Haus und Grund Osnabrück. Bei der Dämmung der Dachschräge benötigt man mehr Dämmmaterial und wegen der üblicherweise errechneten Dämmdicken von 18 bis 24 cm muss die vorhandene Dachkonstruktion (Sparren) ergänzt, d. h. aufgedoppelt werden. Außerdem sollte in dem Zusammenhang auch die Dichtheit des Daches überprüft und sichergestellt werden. Eventuell ist der Austausch von Teilen der Dachdeckung und der Unterspannbahn erforderlich. Diese Investitionskosten sind somit deutlich höher als bei der Verlegung von Dämmstoff auf der obersten Geschossdecke. Man rechnet zwischen 120 und 160 Euro je Quadratmeter gedämmter Fläche im Dach gegenüber 80 Euro begehbar gedämmter Fläche Geschossdecke. Der Staat fördert die Investitionen nur, wenn als Resultat der Maßnahme mehr Energie eingespart werde, als in der EnEV gefordert.
Auslegung des Begriffs „ungedämmt“:
Aufgrund einer neuen Auslegungsregelung (XV-2) der Fachkommission Bautechnik der Bauministerkonferenz, die vom Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) und dem Deutschen Institut für Bautechnik (DIBt) veröffentlicht werden, sind jedoch viele Dächer von dieser Dämmpflicht ausgenommen, da sie als bereits gedämmt gelten. So soll es ausreichend sein, wenn die oberste Geschossdecke den Mindestwärmeschutz nach DIN 4108-2 : 2003-07 entspricht. Dies kann für alle massiven Deckenkonstruktionen, die seit 1969 errichtet wurden, und für Holzbalkendecken aller Baualtersklassen angenommen werden. Eigentümer einer entsprechend ausgestatteten obersten Geschossdecke fallen also nicht unter die Dämmpflicht des § 10 Abs. 4 EnEV und müssen daher bis zum 31. Dezember 2011 keine diesbezüglichen Maßnahmen veranlassen.
Ausnahmen:
Bei Wohngebäuden mit nicht mehr als zwei Wohnungen, von denen der Eigentümer eine Wohnung am 1. Februar 2002 selbst bewohnt hat, ist die Dämmpflicht erst im Falle eines Eigentümerwechsels nach dem 1. Februar 2002 von dem neuen Eigentümer zu erfüllen (§ 10 Abs. 5 EnEV). Dem neuen Eigentümer wird hierfür eine Frist von zwei Jahren nach dem Eigentumsübergang eingeräumt. Sollte der Eigentumswechsel vor dem 1. Januar 2010 stattgefunden haben und sind seitdem noch keine zwei Jahre verstrichen, ist es ausreichend, wenn die obersten Geschossdecken beheizter Räume so gedämmt werden, dass der Wärmedurchgangskoeffizient der Geschossdecke 0,30 Watt/(m²·K) nicht überschreitet.
Soweit die für die Nachrüstung erforderlichen Aufwendungen durch die eintretenden Einsparungen nicht innerhalb angemessener Frist erwirtschaftet werden können, muss eine Dämmung ebenfalls nicht erfolgen (§ 10 Abs. 6 EnEV). Leider gibt es jedoch keine allgemein gültige Auslegungsregelung bezüglich der Angemessenheit der Frist. Es obliegt also den jeweiligen Baurechtsbehörden, die Angemessenheit der Amortisationsfristen zu bemessen. Die logische Obergrenze der Frist stellt die technische Lebensdauer der Bauprodukte dar. Diese kann theoretisch über 50 Jahre betragen. Nach der Begründung der EnEV sollen sich die energetischen Mehrkosten jedoch generell „deutlich vor Ablauf der technischen Lebensdauer betroffener Bauprodukte“ amortisieren. Vermutlich sollte daher in der Praxis auf Amortisationsfristen zwischen 10 und 25 Jahren abgezielt werden.
Vollstreckung:
Die Nichteinhaltung der Dämmpflicht ist in der EnEV nicht als Ordnungswidrigkeit normiert. Es droht dem jeweiligen Eigentümer also kein Ordnungsgeld. Dennoch kann die Einhaltung dieser Pflicht – wie jede andere baurechtliche Vorschrift auch – von den Baurechtsbehörden im Wege der Vollstreckung durchgesetzt werden. Sollte also im Einzelfall von den zuständigen Behörden festgestellt werden, dass die Dämmpflicht nicht eingehalten wurde, wird voraussichtlich eine diesbezügliche Anordnung in Form eines Verwaltungsaktes erlassen. Die Kosten dieses Verfahrens muss in der Regel der Adressat, also der Eigentümer, tragen. Sollte der Eigentümer auch jetzt der Dämmpflicht nicht nachkommen, dann kann die Behörde den Verwaltungsakt vollstrecken. Die Art der Vollstreckung richtet sich nach den jeweiligen Verwaltungsvollstreckungsgesetzen der Länder. Im Allgemeinen können die Behörden hierbei auf die Ersatzvornahme, Zwangsgeld oder im äußersten Fall auch Zwangshaft als Zwangsmittel zurückgreifen. Als probatestes Zwangsmittel erscheint hier ein Zwangsgeld, dessen Höhe sich ebenfalls nach den landesrechtlichen Vorschriften richtet. Es dürfte sich jedoch vermutlich im selben Rahmen belaufen wie die sonstigen in der EnEV angedrohten Ordnungsgelder (bis zu 50.000 Euro).
Mietrecht:
Bei der Dämmung der obersten Geschossdecke handelt es sich um eine gesetzliche Pflicht. Die baulichen Maßnahmen werden also aufgrund von Umständen durchgeführt, die der Vermieter nicht zu vertreten hat. Zudem wird im Gebäude auch nachhaltig Energie eingespart. Soweit die gesetzliche Pflicht erfüllt wird, handelt es sich bei der Dämmung der obersten Geschossdecke demnach um eine Modernisierung im Sinne des § 559 Abs. 1 BGB. Wie bei allen Modernisierungen müssen die entsprechenden Ankündigungen innerhalb der gesetzlichen Fristen erfolgen. Zudem kann im Anschluss eine Modernisierungsmieterhöhung mit der entsprechenden Aufteilung auf die jeweiligen Wohnungen erfolgen.