Familie vor dem Haus

Chancen und Risiken beim Gebrauchtimmobilienkauf

18.10.2012

„Ich kenne meine Nachbarn und die gewachsenen Strukturen im Umfeld und ich bin in Zukunft nicht von Baustellen umgeben“ – das sind einige Vorzüge, die Käufer einer Gebrauchtimmobilie oft nennen. Doch der Kauf eines Hauses „mit Vorgeschichte“ hat auch ganz spezielle Seiten, die es zu beachten gilt. Deshalb hatte Haus und Grund Osnabrück seine Herbstveranstaltung am 17. Oktober 2012 unter das Thema gestellt: „Tipps zur Gebrauchtimmobilie – Was ist beim Kauf zu beachten?“. Ein Thema, das offensichtlich auf großes Interesse bei den Mitgliedern stieß, wie der mit über 250 Gästen besuchte Niedersachsensaal der OsnabrückHalle bewies. Bei der Veranstaltung beleuchteten die Referenten Christian Staub, Bauunternehmer und Obermeister der Baugewerbe Innung Osnabrück, und Rechtsanwalt und Notar Wolfgang Schaper sowohl bautechnische als auch notarielle Aspekte des Gebrauchtimmobilienkaufs.

Ausschlaggebend für den Wert einer Immobilie seien die Verwertungs- beziehungsweise Nutzungsfähigkeit durch den Erwerber, die Lage, die Finanzierung und eventuell nutzbare Fördermittel, die Architektur sowie Kosten für die dauerhafte Bewirtschaftung, auch bezüglich des Energieverbrauches. Im Allgemeinen gelte jedoch immer: „Geschätzt wird der Wert, den Preis macht der Markt“, betonte Staub. Während die Nutzbarkeit einer Immobilie sehr von den individuellen Bedürfnissen abhänge, gebe es für die übrigen Punkte durchaus allgemeine Kriterien. Bezüglich der Lage innerhalb Deutschlands existieren große Unterschiede, was die Wertentwicklung von Immobilien betrifft. „Aber auch Bestandsimmobilien erlebten bezüglich ihrer Wertigkeit zwischen den Jahren 2000 und 2011 insgesamt eine positive Entwicklung, wenn auch mit großen Unterschieden. Den größten Bedarf an Wohnraum und die höchsten Preise gibt es nach wie vor in Ballungsgebieten und hier im Besonderen in Süddeutschland“, fasste Staub die Entwicklung des deutschen Immobilienmarktes zusammen. Was potentielle Käufer jedoch meist mehr interessiere, sei die Lage innerhalb der Region beziehungsweise eines Ortes. Hier helfen beispielsweise Bodenrichtwertkarten und die Orientierung am Markt. Am allerwichtigsten für die Einschätzung des Wertes sei jedoch eine gründliche Ortsbegehung der Immobilie. Einige Mängel seien dabei auch für Laien gut erkennbar. „Aber viele Problembereiche können nur vom Fachmann erkannt werden. Deshalb rate ich dringend dazu, eine Ortsbegehung in Begleitung eines Architekten oder Handwerkers Ihres Vertrauens zu unternehmen.“ Zu den besonders sensiblen Bereichen gehörten Dach und Keller, Dämmung, Fenster, Probleme mit Feuchtigkeit und Schimmelbildung sowie die Elektro- und Heizungsinstallationen. „Gerade in den letzten Jahren ist dank der gestiegenen Energiekosten die Bedeutung der Energieeffizienz für die Kaufentscheidung gewachsen. Handwerksbetriebe vor Ort bieten einen kostenfreien Energiecheck an, den man unbedingt machen sollte, wenn man Überraschungen vermeiden möchte“, so Staub. Auch was die Dämmung des Gebäudes angehe, sei der Fachmann gefragt. Immer wieder gebe es Schwierigkeiten, die ein Laie nicht einschätzen könne – beispielsweise mit verfüllten Hohlräumen. Wer sich einen Überblick über die Folgekosten beim Kauf einer Gebrauchtimmobilie verschaffen wolle, sollte vor dem Kauf eine nach Gewerken aufgeschlüsselte Liste der anliegenden Arbeiten erstellen: Neben Abbrucharbeiten und allen Instandsetzungsarbeiten im Haus sollten darin auch der Bereich Außenanlagen, die Baunebenkosten und sonstige Investitionen – zum Beispiel für Kommunikation oder Blitzschutz – Eingang finden. Diese Liste sollte der Käufer, unter Berücksichtigung eventueller Fördermittel, in seine Finanzierungsplanung einbeziehen. Für die endgültige Kaufentscheidung spiele jedoch neben dem objektiv einzuschätzenden Kostenaspekt und der Orientierung am Markt immer die individuelle, subjektive Betrachtungsweise des Käufers eine wichtige Rolle. Dies gelte vor allem für Eigenheime. Dennoch sei es wichtig, sich vertrauenswürdige Unterstützung durch die Fachleute vor Ort zu holen und so die Risiken beim Kauf einer Gebrauchtimmobilie möglichst auszuschließen.

Zu den bautechnischen Gesichtspunkten kommen bei einem Immobilienkauf auch immer die rechtlichen Aspekte. Hierüber informierte Rechtsanwalt und Notar Wolfgang Schaper die Anwesenden. „Alles, was zuvor bezüglich der Instandsetzung oder Mängelbeseitigung durch den alten Eigentümer besprochen oder versprochen worden ist, gehört unbedingt in den Kaufvertrag“, betonte Schaper. Denn in jedem Kaufvertrag befände sich ein Gewährleistungsausschluss. Der gelte zwar nicht für das arglistige Verschweigen von Mängeln, doch das sei schwer nachweisbar. Auch unter diesem Gesichtspunkt unterstrich Schaper die Aussage seines Vorredners: „Nehmen Sie einen Fachmann mit zum Objekt und wägen Sie den Kauf gemeinsam mit ihm ab!“ Der Kauf eines Erbbaurechts, also – laienhaft – der Kauf eines Hauses auf fremden Grundstück, ist aus notarieller Sicht nicht immer unproblematisch: In den Erbpachtverträgen seien der Erbpachtzins und dessen Erhöhung sowie das Vorkaufsrecht geregelt. „Beachten Sie beim Kauf einer Immobilie auf einem Erbpachtgrundstück vor allem die Laufzeit des Erbpachtvertrages!“, riet Schaper eindringlich. Diese beträgt bei Abschluss des Vertrages in der Regel 80 Jahre. Je nach Alter der Immobilie besteht also eventuell nur noch eine sehr begrenzte Restlaufzeit. Wolle man die Immobilie länger nutzen, solle man sich vor dem Erwerb darüber erkundigen, was nach Ablauf der Pachtzeit geschehe. Üblich sei eine Klausel in der der sogenannte „Heimfall“ geregelt werde: Dann fällt das Gebäude zu 2/3 des Verkehrswertes an den Grundstückseigentümer. „In der Regel hat der Grundstückseigentümer – hier sind dies zumeist die Kirchen – aber kein Interesse an dem Gebäude“, so Schaper. Deshalb böte der Eigentümer meist den Abschluss eines neuen Vertrages an. Bei der Festsetzung des neuen Pachtzinses spielten neben den Angaben der Bodenrichtwertkarten auch die Erschließungskosten eine Rolle. Das sei vielen Interessenten vor dem Kauf nicht bewusst: „Hier lauert eine Kostenfalle!“, warnte Schaper. Dennoch betonte der Jurist ebenso wie der Bauunternehmer abschließend: „Bei guter Beratung durch Fachleute steht dem Kauf einer gebrauchten Immobilie nichts entgegen.“