Familie vor dem Haus

Flächenangaben im Mietvertrag – rein oder raus?

23.07.2014

(LV, Horst) Um Angaben zur Wohnungsgröße in Mietverträgen wird viel gestritten. Das verwundert auch nicht, denn sie sind Basis für eine m² gestützte Miete sowie für die Abrechnung von Betriebskosten, wenn als Verteilungsmaßstab der Flächenschlüssel gilt, sei es, dass er im Mietvertrag so bewusst ausgewählt worden ist, sei es, dass er als gesetzliche Grundform des Verteilungsschlüssels anzuwenden ist. Stellt sich dann im Nachhinein heraus, dass die Flächenangaben nicht stimmen, geht es um Rückzahlungsansprüche in Bezug auf schon geleistete Mietanteile, um Mietminderungen für die Zukunft und um die Anfechtung von bisherigen Betriebskostenabrechnungen.

Um den Streitigkeiten die Spitze zu nehmen, hat der Bundesgerichtshof (BGH) seine sogenannte „10 % Rechtsprechung“ entwickelt (BGH, Urteil vom 23.06.2010 – VIII ZR 256/09), siehe dazu unten.

Gleichwohl sehen sich viele Vermieter verunsichert; dies mit gutem Grund: Denn der Streit entsteht häufig nicht deshalb, weil ein Vermieter „zu flott“ nachgemessen hat, sondern schlicht deshalb, weil es verschiedene Berechnungsmethoden zur Ermittlung der Wohnfläche gibt, und auch deshalb, weil man entsprechenden Angaben in eigenen Bauunterlagen zu schnell vertraut. Kein Wunder also, dass Vermieter als Verwender von Mietverträgen dazu übergegangen sind, Flächenangaben nicht mehr mit aufzunehmen. Interessant ist in diesem Zusammenhang eine Entscheidung des Amtsgerichts (AG) München (Urteil vom 16.12.2013 – 424 C 10.773/13.

Der Fall: Die Wohnungsmieterin verlangt Rückzahlung zu viel bezahlter Miete. Zwar enthält der Mietvertrag keine Quadratmeterangaben, doch ist sie im Vorfeld der Anmietung aufgrund einer Zeitungsannonce mit einem Vermittlungsmakler bekannt geworden, der ihr die Wohnung mit einer Fläche von 164 m² angeboten hat. Dieses Flächenmaß fand sich auch in seiner Zeitungsannonce. Beim Besichtigungstermin übergab der Makler noch einen Grundrissplan, der sogar eine Fläche von 156 m² auswies. Nach dem Einzug ließ die Mieterin nachmessen. Das Ergebnis: Die Wohnung hat nur eine Fläche von 126 m². Mit ihrer Klage vor dem Amtsgericht München verlangt die Mieterin die aufgrund der angegebenen falschen Wohnungsfläche insgesamt ermittelte Miete anteilig zurück.

Der Münchner Amtsrichter schmierte die Klage ab und belehrte die Mieterin darüber, der Rückzahlungsanspruch stehe ihr nicht zu. Zwar habe ein Mieter einen Anspruch auf Rückzahlung zu viel gezahlter Miete, wenn nach der Rechtsprechung des BGH die Flächendifferenz mehr als 10 % nach unten abweiche, doch sei dafür Voraussetzung, dass zwischen den Mietvertragsparteien eine Vereinbarung über die Größe der Wohnung zu Stande gekommen sei. Die aber sah der Münchner Amtsrichter hier nicht. Denn für eine mietvertragliche Vereinbarung einer bestimmten Fläche genüge eine m² Angabe in einer Zeitungsannonce nicht. Da der Mietvertrag selbst die Größe der Wohnung nicht beschreibe, bedürfe es besonderer weiterer Umstände, die darauf schließen ließen, dass die Vertragsparteien eine Vereinbarung über die Wohnungsgröße treffen wollten. Maklerangaben alleine seien dem Vermieter nicht zurechenbar. Denn es sei grundsätzlich Sache des Mieters, in Bezug auf die Größe der gemieteten Wohnung für Klarheit zu sorgen. Enthalte der Mietvertrag dazu selbst keine Angaben, sei das ein wichtiges Indiz dafür, dass der Vermieter auch keine verbindlichen Zusagen in Bezug auf die Wohnungsgröße machen wolle. Auch eine stillschweigende Beschaffenheitsvereinbarung könne mangels besonderer Umstände nicht angenommen werden. Anders als im Kaufrecht führten die Angaben in einem Inserat oder einem Prospekt innerhalb der Wohnungsmiete nicht dazu, dass diese Angaben ohne weiteres Vertragsgegenstand werden.

Aber Achtung, diese Auffassung ist streitig. Denn der Bundesgerichtshof hat entschieden, dass man nicht ausdrücklich angegebene Flächenmaße „in den Vertrag hineinlesen“ müsse, wenn zumindest darüber zuvor innerhalb von Zeitungsannoncen oder auch innerhalb von Vertragsverhandlungen gesprochen worden sei und der Mieter darüber hinaus auf Nachfrage auch eine detaillierte Grundrissskizze mit Wohnflächenberechnung erhalten habe, er also deshalb über derartige Angaben verfüge (BGH, Urteil vom 23.6.2010 – VIII ZR 256/09). Nach anderer Auffassung, der auch das AG München folgt, sollen Flächenangaben in Zeitungs- oder Internetannoncen nicht ausreichen, wenn der Mieter sein besonderes Interesse an der Wohnfläche nicht artikuliert hätte und es deshalb auch nicht zur Übergabe einer detaillierten Grundrissskizze mit Wohnflächenberechnung gekommen sei (AG Frankfurt/Main, Urteil vom 19.09.2012 – 33 C 3082/12).

Der Ausweg: In einer vereinzelt gebliebenen Entscheidung hat der BGH festgestellt, dass auch eine so genannte „Unverbindlichkeitsklausel“ helfen kann, die oben besprochenen rechtlichen Nachteile bei Flächendefiziten zu vermeiden. Nach dieser Entscheidung soll zum Beispiel eine Minderung der Miete nicht in Betracht kommen können, wenn eine Formularklausel die angegebene Fläche für unverbindlich erklärt und zur Festlegung des Mietgegenstands stattdessen auf die Anzahl der vermieteten Räume abstellt (BGH, Urteil vom 10.11.2010 – VIII 306/09). Ob diese Entscheidung Bestand haben wird, erscheint aber unsicher.

Insgesamt gilt: Lassen Sie die Angabe von Quadratmetern und Flächenmaßen im Mietvertrag weg, auch wenn Sie innerhalb der Betriebskosten nach Flächen als Umlagemaßstab aufteilen. Es ist immer noch besser, im Streitfalle eine Betriebskostenabrechnung hinterfragen zu müssen, als einen jahrelangen Mietzahlungszeitraum mit Rückforderungsansprüchen und Mietkürzungen für die Zukunft! Dieser Rat gilt für Wohnungs- und Gewerbevermietung in gleichem Maße. Er ist umso veranlasster, als Verjährungsfristen für die genannten Ansprüche aus Flächendifferenzen erst bei Kenntnis von diesem Umstand zu laufen beginnen, diese Kenntnis aber nicht schon durch das tatsächliche Nutzen der Mieträume unterstellt wird, sondern erst ab dem Zeitpunkt, ab dem der Mieter nachmessen lässt und sich dadurch die Differenz herausstellt (LG Krefeld, Urteil vom 07.12.2012 – 2 S 23/12). Ist dies aber so, dann berechnen sich evtl. Rückzahlungsansprüche im Zweifel bereits vom Beginn des Mietverhältnisses an – weil Verjährung eben mangels laufender Verjährungsfristen nicht eingetreten ist.