Inhalt
15.01.2015(Horst, Landesverband) Ja, ja, da ist mir eben mal die Hand ausgerutscht. Das kann schließlich immer mal passieren, besonders dann, wenn die Andere provoziert hat und man sich im Zustand erregter Auseinandersetzung befindet. Die soll sich mal nicht so haben, so schlimm ist das ja schließlich nicht – „nur“ eine Ohrfeige für die Nachbarin, mein Gott, und dann gleich eine Mietkündigung? So mag die „handfeste“ Mieterin M gedacht haben, als ihr die Kündigung des Vermieters V ins Haus flatterte.
Was war passiert? Zwei Nachbarinnen, beide Mieterinnen in einem Mehrfamilienhaus, gerieten aneinander. Im Verlauf der Auseinandersetzung ohrfeigte Mieterin M ihre Kontrahentin. Vermieter V kündigte M fristlos, hilfsweise fristgerecht. Und man soll es einfach nicht für möglich halten: Seine darauf gestützte Räumungsklage scheiterte vor dem LG Karlsruhe!
Mit Urteil vom 20. Mai 2014 – 9 S 30/14 – verwarf das LG Karlsruhe die Räumungsklage und belohnte damit die schlagkräftige Mieterin M! Zwar rechtfertige eine Tätlichkeit zwischen Mitmietern auch ohne vorherige Abmahnung die fristlose Kündigung, doch sei in jedem einzelnen Fall die Schwere des Fehlverhaltens, seine Nachhaltigkeit einschließlich des Anlasses und des Verschuldens der Kontrahenten abzuwägen und zu würdigen. Der ausgeteilten Ohrfeige käme hier lediglich ein geringes Gewicht zu. Denn zwischen den Kontrahenten gebe es seit geraumer Zeit ein persönliches Zerwürfnis. Die geohrfeigte Mitmieterin sei an der Auseinandersetzung und deren Anlass nicht unbeteiligt gewesen. Eine nur kurzfristig schmerzhafte Ohrfeige rechtfertige die fristlose Kündigung des Mietverhältnisses jedenfalls dann nicht, wenn es an der Nachhaltigkeit der Störung fehle. Hier sei auch zu berücksichtigen, dass es seit dem „Schlagabtausch“ zu keinen weiteren Auseinandersetzungen der vorliegenden Art gekommen sei.
Zwar sei auch eine verhaltensbedingte fristgerechte Kündigung nach § 573 Abs. 2 Nr. 1 BGB im Falle einer Tätlichkeit ohne vorherige Abmahnung grundsätzlich möglich, doch liege der hier zu beurteilenden Sachverhalt anders: Die Staatsanwaltschaft habe ein öffentliches Interesse an der Strafverfolgung verneint. Deshalb überschreite die hier gegebene „einfache“ Ohrfeige die erforderliche Erheblichkeitsschwelle für eine fristgemäße verhaltensbedingte Kündigung nicht.
Ungewürdigt ließ das Gericht neben der unmittelbar körperlichen Auswirkung einer sogenannten „einfachen“ Ohrfeige das damit einhergehende Unwerturteil in Bezug auf den Geohrfeigten, das ebenso zu attestierende schwere Zerwürfnis zwischen erwachsenen Menschen im Falle erfolgter körperlicher Auseinandersetzungen und den daraus folgenden schwer gestörten Hausfrieden. Allein dies hätte zumindest zu einer fristgemäßen Kündigung führen müssen. Denn Tätlichkeiten unter Mitmietern können keinesfalls hingenommen werden und rechtfertigen deshalb auch ohne vorherige Abmahnung eine außerordentliche Kündigung.
Unter erwachsenen und nur durchschnittlich erzogenen und gebildeten Menschen müssen derartige Umgangsformen einem strikten Tabu unterliegen, zumal sie als Körperverletzung nach § 223 StGB strafbar sind; dies unabhängig davon, ob die Staatsanwaltschaft ein öffentliches Interesse an der Strafverfolgung bejaht oder hiervon ausnahmsweise absieht.