Familie vor dem Haus

Vielfältige Entwicklungschancen für Osnabrück

16.11.2017

Was macht eine Stadt mit 160 Hektar ehemaliger Kasernenfläche? Was kann sich dort wie entwickeln? Wie kann die Vermarktung realisiert, wie können die Flächen nutzbar gemacht werden? Die Besucher der Herbstveranstaltung von Haus und Grund Osnabrück bekamen am 25. Oktober 2017 viele Antworten. Marcel Haselof, Prokurist der ESOS Energieservice Osnabrück GmbH, die sich in den vergangenen Jahren im Wesentlichen mit diesen Fragen beschäftigt hat, berichtete von seinen Erfahrungen.

Bereits 2008, also im Beginn des Abzugs der Briten aus Osnabrück, startete die Stadt ihren „Perspektivplan“, ein breit ausgelegtes Planungs- und Beteiligungsverfahren mit Bürgern und Fachleuten, in dem Lösungen für die unterschiedlichen Flächen entwickelt werden sollten. Bei einigen der insgesamt sechs ehemals militärisch genutzten Areale war die Nutzung schnell klar. So wurden die Flächen nahe des Universitäts- und Hochschul-Campus für dessen Erweiterung genutzt, ein kleineres Gelände wurde bereits 2012 für den Bau von Mehr- und Einfamilienhäusern vermarktet. Im Wesentlichen konzentrierte Marcel Haselof sich in seinem Vortrag auf zwei große Gebiete: Zum einen das 31,5 Hektar große Areal der ehemaligen Winkelhausenkaserne angrenzend an das Gewerbegebiet am Osnabrücker Hafen, zum anderen das Gebiet der ehemaligen Kaserne an der Landwehrstraße, mit 37 Hektar Größe.

Das Areal am Hafen wurde zum einen für ein Behördenzentrum aus sanierten und umgebauten Bestandsgebäuden vorgesehen, in dem unter anderem das Finanzamt Osnabrück Land eingezogen ist. Auf der übrigen Fläche, immerhin 27,4 Hektar sollte ein Gewerbe-Mix etabliert werden. „Einen Interessenten hatte der damalige Oberbürgermeister Pistorius bereits in der Nachbargemeinde gefunden. Damit die Firma Kaffee-Partner den Vertrag auch unterzeichnete, mussten wir schnell handeln“, beschreibt Haselof den damaligen Zeitdruck. In nur drei Monaten wurde das Gelände übergeben, nach 12 Monaten die Baugenehmigung erteilt. Und das alles, obwohl die ESOS-Fachleute diverse Überraschungen erlebten: „Die Baupläne der Briten waren so geheim, dass sie selbst nicht wussten, wo welche unterirdischen Leitungen verlegt waren“, erinnert sich Haselof schmunzelnd. In einigen Dächern waren Dämmkügelchen eingeblasen worden, die vor dem Abriss mit riesigen Saugern abgesaugt und entsorgt werden mussten. „In dieser Zeit war immer viel los. Auf dem Baugebiet tanzte quasi täglich das Bagger-Ballett beim Umsetzen der Schuttmengen.“ Die anschließende Vermarktung des Geländes ging zügig voran. Das Kaffee-Partner-Gebäude mit seiner attraktiven Architektur wurde Vorreiter für weitere interessante Objekte, die teilweise noch in der Planung stecken. „Am Hafen werden unsere Grundstückskäufer einen attraktiven Mix aus Kreativ-Wirtschaft, Dienstleistung (Steuerberater, Versicherungsagentur und Immobiliencenter), aber auch Angebote wie eine Kinderspielarena oder die Ansiedlung einer einmaligen Werkstatt für Oldtimer und E-Autos etablieren“, berichtet Haselof. „Ich glaube, wir haben hier gemeinsam mit der WFO einen guten Job gemacht – auch im Sinne der Wirtschaftsförderung und der Strukturentwicklung.“

Im Falle des Geländes der Landwehrkaserne ist die Vermarktung gerade erst gestartet. Hier entschieden sich die Stadtplaner für eine gemischte Wohnbebauung mit einer kleineren Einheit für einen Nahversorger sowie einer Kindertagestätte. Nachdem Herausforderungen wie die Beplanung an der Landesgrenze zu NRW und Naturschutzauflagen nach der „Entdeckung“ eines Magerrasen-Biotops gemeistert waren, begann die ESOS mit weiteren Planungen und der Erschließung. „Wir sind hier der Erschließungsträger, denn die notwendigen Leistungen könnte nicht jeder erbringen“, so der ESOS-Prokurist. „Für die Versorgung werden 34 Kilometer Stromleitungen, je 5 Kilometer Gas- und Wasserleitungen sowie 6 Kilometer Leitungen und 100 Masten für die Straßenbeleuchtung verbaut. Hinzukommen je 5 Kilometer Schmutz- und Regenwasserkanäle und ein Regenrückhaltebecken, für das 40.000 Kubikmeter Erdreich bewegt wurden.“ Das Gelände der Landwehrkaserne wurde in einzelne Plangebiete aufgeteilt, um diese gezielt der Vermarktung zuzuführen – ohne größere Irritationen für den Immobilienmarkt zu erzeugen.

„Wir wollen das Gelände qualitativ gut entwickeln und haben dafür strenge Kriterien, die die Interessenten/Bieter beachten müssen“, so Haselof. „Erstens: Städtebauliche Kriterien, das heißt, die Erarbeitung eines Bebauungs- und Nutzungskonzepts unter Einhaltung der Vorgaben des Bebauungsplans. Zweitens: Wohnungspolitische Kriterien, was bedeutet, dass mindestens eine Quote von 10-30 Prozent der Wohnfläche für preisgebundenen Wohnraum eingeplant werden muss. Drittens: Energetische Kriterien, was bedeutet, dass bei frei vermarkteten Flächen KfW 55 eingehalten werden muss, während für den preisgebundenen Wohnraum die jeweils gültige EnEV angelegt wird. Und Viertens: Aus wirtschaftlichen Gründen müssen alle Kaufpreisangebote zumindest der Mindestpreisvorgabe entsprechen.“ Das erste Teilgebiet wurde im Februar 2017 veräußert. Dort entstehen ab Anfang 2018 etwa 140 Wohneinheiten in Reihen- und Mehrfamilienhäuser mit Miet- und Eigentumswohnungen. Für zwei weitere Teilbereiche (1,25 ha Wohnen, Nahversorger) befindet sich die ESOS aktuell in Verhandlungen mit potentiellen Investoren. Des Weiteren wurden für zwei Teilbereiche, auf denen verschiedene Wohntypologien vorgesehen sind, kürzlich die Vergabeunterlagen veröffentlicht. Hier werden Angebote im Januar 2018 erwartet. Insgesamt sollen im Landwehrviertel mehr als 800 Wohneinheiten entstehen.

„Bei der Entwicklung der Flächen verstehen wir uns als Mittler zwischen den unterschiedlichen Interessen“, so Marcel Haselof. Im Dreieck zwischen Ökonomie, bezahlbarem Wohnraum und städtebaulicher Qualität müsse die ESOS mit ihren Entscheidungen für den notwendigen Ausgleich sorgen. Bisher sei das im Rahmen der Konversion in Osnabrück gut gelungen.