Familie vor dem Haus

Datenschutz: Fragen über Fragen!

14.08.2019

(Dr. Hans Reinold Horst) „Datenschutztechnisch“ befinden wir uns bereits im Jahre 2 neuer Zeitrechnung nach dem Stichtag des 25. Mai 2018 zur Einführung der deutlich verschärften EU-Datenschutz-Grundverordnung (DS-GVO) und des ausführenden Bundesdatenschutzgesetzes (BDSG-2018). Den großen Wurf bei der Bekämpfung der wirklichen „Datenkraken“ hat das nicht gebracht. Google, Facebook und Co. reiben sich immer noch im Ergebnis unangefochten von ihrem Hauptsitz in Nordirland aus die Hände.

Ansonsten gilt auch hier: Theorie trifft Praxis. Große Auskunfteien wie die SCHUFA oder auch viele Versicherungskonzerne verhalten sich bei der Datenerhebung, Speicherung und insgesamten Verarbeitung personenbezogener Daten weiterhin in Einzelfällen recht unverblümt (so: Wolff, „Schlimmer als die SCHUFA? Versicherer lassen über ihre Kunden und deren Eigentum Millionen Hinweise in einer Datenbank speichern“, in: DIE WELT vom 1. Juni 2019, Seite 17). Das ist die eine Seite.

Kleinere Unternehmen, Institutionen, Vereine und vor allem Berufsträger aus dem Gesundheitsbereich werden dagegen „datenschutztechnisch“ weiter gequält und bisweilen bei den Datenschutzbehörden kräftig angeschwärzt. So wird berichtet, dass Anfragen und Beschwerden beim Niedersächsischen Landesdatenschutzbeauftragten „massiv zugenommen“ haben (DIE WELT vom 7. Juni 2019, Seite 32).

Die Wohnungswirtschaft muss sich ebenso weiter und kräftig gängeln lassen. So hat der Landesbeauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit Nordrhein-Westfalen eine Orientierung zum „Personalausweis und Datenschutz“ herausgegeben. Unter Gliederungspunkt 8 „Vermietung von Wohnraum“ wird das Kopieren eines Personalausweises oder eine entsprechende Forderung im Rahmen von Mietvertragsverhandlungen als datenschutzwidrig geächtet. Auch die Zugangs- und Seriennummer dürfe nicht notiert werden. Alles andere rufe die Datenschutzbehörde auf den Plan. Vielleicht wäre ein Blick in § 20 Abs. 2 Personalausweisgesetz zielführend gewesen. Die Vorschrift lautet: (2) Der Ausweis darf nur vom Ausweisinhaber oder von anderen Personen mit Zustimmung des Ausweisinhabers in der Weise abgelichtet werden, dass die Ablichtung eindeutig und dauerhaft als Kopie erkennbar ist. Andere Personen als der Ausweisinhaber dürfen die Kopie nicht an Dritte weitergeben. Werden durch Ablichtung personenbezogene Daten aus dem Personalausweis erhoben oder verarbeitet, so darf die datenerhebende oder -verarbeitende Stelle dies nur mit Einwilligung des Ausweisinhabers tun. Die Vorschriften des allgemeinen Datenschutzrechts über die Erhebung und Verwendung personenbezogener Daten bleiben unberührt. Stimmt der Mieter also zu, spricht nichts dagegen, den Ausweis zu kopieren oder sich zumindest die Personalausweisnummer zu notieren. Wohl unter Bezug auf Satz 4 der Vorschrift sieht die Datenschutzbehörde das anders. Der Haken: Im allgemeinen Datenschutzrecht ist eine Vorschrift, die das Kopieren von Personalausweisen schlichtweg verbietet, nicht erkennbar. Die Datenschutzbehörde behilft sich mit einem Konstrukt: Wolle der Mieter die Wohnung unter allen Umständen mieten, werde er das Ansinnen einer Personalausweiskopie nicht zurückweisen können. Von dieser Bewusstseinslage sei aber stets auszugehen. Seine so erklärte Einwilligung sei deshalb nicht „freiwillig“ und folglich im Sinne des Datenschutzrechts nicht zu berücksichtigen.

Weiter im Text: Die Digitalisierung beschert uns funkgesteuerte Verbrauchserfassungsgeräte zum Beispiel bei Heizkörpern oder auch bei Wasseruhren. Solche Geräte haben durchaus ihren Vorteil. Sie können von fern, also von außerhalb der Wohnung, abgelesen werden. Termine mit dem Wohnungsnutzer müssen nicht mehr – bisweilen logistisch aufwendig – vereinbart werden. Menschliche Fehlerquoten bleiben bei der automatischen Datenübertragung außen vor. Sofort aber stellt sich wieder die Frage nach dem Datenschutz. Denn wenn zum Beispiel Wärmeerfassungsgeräte abgelesen werden, dann könne man auf das Nutzerverhalten innerhalb der Wohnung und von diesem Nutzerverhalten auch auf die Person schließen, die in der Wohnung lebt. Wenn zum Beispiel die Hauptwasseruhr ebenfalls per Funk abgelesen wird, sei der Versorger in der Lage, den Verbrauch des Wohnungsnutzers taggenau anzugeben. Dies lasse Rückschlüsse auf die Präsenz in der Wohnung zu. Dies sei unter dem Blickwinkel des Datenschutzes nicht zu tolerieren. Was ist an solchen Argumentationen dran?

Interessant ist zunächst die Tatsache, dass die novellierte Energieeffizienzrichtlinie der EU (Richtlinie 2012/27/EU), beschlossen vom Rat der EU durch Beschluss vom 4.12.2018 (ABl. vom 21. 12. 2018) fordert, dass ab November 2020 Neubauten und modernisierte Gebäude ausschließlich mit fernablesbaren Verbrauchserfassungsgeräten ausgestattet werden müssen. Im Bestand müssen entsprechende Geräte bis zum 1.1.2027 nachgerüstet werden. Funkbasierte Verbrauchsmessungen werden also zukünftig verpflichtend sein, auch wenn die Bundesrepublik Deutschland die genannte EU-Richtlinie noch in nationales Recht umsetzen muss. In diese Richtung weist auch ein Urteil des BGH vom 28.9.2011 (Az. VIII ZR 326/10). Dort hat das Gericht entschieden, dass der Mieter den Einbau eines zur Funkablesung geeigneten Systems zu dulden hat. Insgesamt wird sich die Frage des Datenschutzes an Artikel 6 DS-GVO (Rechtfertigungsgründe für die Datenverarbeitung) ausrichten. Spätestens dann, wenn funkbasierte Ablesegeräte Pflicht werden, ist diese Rechtfertigung zu bejahen (Art. 6 Abs. 1 Satz 1 c) oder f) DS-GVO). Vorher dürfte es auf die Frage ankommen, ob eine rechtfertigende Einwilligung des Wohnungsnutzers (Art. 6 Abs. 1 Satz 1 a) DS-GVO) vorliegt (zur Frage eines wirksamen Beschlusses einer WEG-Eigentümergemeinschaft unter dem Blickwinkel des Datenschutzes vergleiche auch LG Dortmund, Urteil vom 28.10.2014 – 9 S 1/14, juris; Brink, ZWE 2014, S. 75 ff; Eisenschmid, NZM 2019, 313, 321).

Resümee: Geholfen hat der Datenschutz seinem Zweck entsprechend bis jetzt gar nicht. Er bringt nur Probleme mit sich, die vorher nicht bestanden und macht alles noch sehr viel komplexer. Insgesamt Fragen über Fragen, die man letztlich auch aus praktischem Blickwinkel lösen muss.