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15.02.2024(LV) Niedersachsens Bau- und Wirtschaftsminister Olaf Lies selbst hat eingeladen, und das ist gut und richtig so! Denn sein Anliegen ist ihm wichtig: Wir brauchen dringend und schnell eine Trendwende in der Bau- und Wohnungswirtschaft. Denn: Schwächelt der Bau, kann innerhalb der Wohnungswirtschaft nichts mehr angeboten werden. Die Wohnraumversorgung kommt zunehmend unter Druck, die Menschen haben das Nachsehen.
Am 2. Februar 2024 traf sich die Bau- und Wohnungswirtschaft im Ministerium zu einem Gipfel mit dem Minister, um in einer „Initialzündung“ Lösungswege aus der aktuellen misslichen Situation der Bau- und Wohnungswirtschaft zu finden. Haus & Grund Niedersachsen war natürlich dabei.
Die Bestandsaufnahme ist mittlerweile dramatisch. Die gesamte Branche „bröckelt“. Die Stimmung am Baumarkt ist geprägt durch Verunsicherung und Zurückhaltung. Der Neubau ist zum Erliegen gekommen, der Ausbau, bzw. die Sanierungen im Bestandswesen ebenso.
Die Nachfrageseite, repräsentiert durch Bauherren und Investoren, baut kaum noch. Die Auftragslage im Wohnungsbau ist mittlerweile katastrophal. Immer mehr Betriebsschließungen sind die Folge. Zur Reduktion eigener Kosten unumgängliche Rationalisierungen innerhalb des Maschinenparks schneiden ins eigene Fleisch. Geleaste oder gekaufte Baukräne müssen zum Beispiel abgestoßen werden, weil es keine Baustellen mehr gibt, auf denen sie rechnerisch auskömmlich eingesetzt werden können. Personal muss entlassen werden. Abgewanderte Kräfte orientieren sich in neuen Berufszweigen und sind für die Baubranche damit verloren. Das ist bei den vielen Gewerken am Bau, die den Einsatz von erfahrenen Fachkräften voraussetzen, besonders fatal. Wir kennen diesen Effekt aus der coronabedingt stark gebeutelten Gastronomie.
Wie kommt es dazu?
Die Baupreise verzeichnen in nur zwei Jahren einen Aufwärtstrend von 35 %! Die Baugenehmigungen sind im Vergleichszeitraum Januar 2023 bis Januar 2024 um 35 % eingebrochen. Die Neubautätigkeit ist geradezu zum Erliegen gekommen. Auch Sanierungen im Bestandsbau verzeichnen ein alarmierendes Minus. Die Nachfrageseite, die Bauherrn, verhalten sich „schüchtern“. Das liegt sicherlich an einem ganzen Ursachenbündel: an steigenden Kreditzinsen, inflationsbedingten starken Teuerungen bei den Preisen für Baumaterial und Handwerkerleistungen, an horrenden Energiepreisen auch am internationalen Markt in einer stark angespannten politischen Weltlage, und nicht zuletzt an starken Förderproblemen im Sanierungswesen und bei der Umsetzung der energetischen Gebäudesanierungen im Zuge des Klimaschutzes. Die Aufteilung zwischen der Kreditanstalt für Wiederaufbau und dem Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) ist hierbei zusätzlich kontraproduktiv, die für den Investor wirtschaftlich höchst unsicher bleibende Ausgestaltung der Förderung durch die Richtlinie für die Bundesförderung für effiziente Gebäude – Einzelmaßnahmen (BEG EM) vom 21. Dezember 2023 (BAnz AT 29.12.2023 B1, Seite 1 – 32) erst recht. Denn es ist und bleibt unsicher, ob eine beantragte Bundesförderung überhaupt ausgereicht wird.
Dabei hat Niedersachsen noch eine gute Förderkulisse, insbesondere über die Niedersächsische Förderbank (NBank). All dies nützt aber wenig, wenn sie wegen der geschilderten wirtschaftlichen Rahmenbedingungen nicht abgerufen und nicht verwertet werden kann.
Und, ja – auch das gehört zur Wahrheit: Der gesetzlich aufgegebene bevorstehende Heizungstausch verunsichert zusätzlich, weil er teuer sein wird. In vielen Fällen kommt dazu dann noch eine energetische Vorertüchtigung der Immobilie, damit neu eingesetzte Heiztechnik von ihrer Effizienz her überhaupt funktionieren kann.
Der Situation geschuldet akzentuierte Minister Lies deutlich: „Wir brauchen Lösungen für jetzt, nicht für in einem Jahr.“ Richtig so! Diese Einschätzung wurde vom gesamten Kreis einmütig geteilt. Nachdrücklich warnend wurde darauf hingewiesen, dass bei fehlendem Wohnraum und fehlenden angemessenen Unterbringungsmöglichkeiten soziale Verwerfungen als Folge drohten. Zu Hausbesetzungen oder eigenmächtigen zusätzlichen Einquartierungen in schon genutzte größere Wohnstrukturen darf es nicht kommen, wenn den Betroffenen eigener Wohnraum zu bezahlbaren Preisen nicht mehr zur Verfügung steht.
Was wurde bisher unternommen, um mehr und bezahlbare Wohnungen zu bauen?
Als Vorreiter zeigt sich Niedersachsen bundesweit und zu Recht dafür sehr gelobt mit dem Projekt einer „Umbauordnung“. Dies ist wirklich lobenswert, mutig und absolut zu begrüßen. Denn hier geht es um die billigere Erstellung von Wohnraum bei guter Qualität, und um schnellere Genehmigungs- und Bauprozesse.
Mehrfach wurde während des Ministergesprächs angeregt, die mit einem Bauvorhaben verknüpften Stellplatzpflichten noch weiter als bisher schon abzuschmelzen, um Kosten zu reduzieren und um mehr Platz für Wohnungen zu bekommen. Auch so könne man eine Verkehrswende „in Richtung Klimaschutz“ propagieren. Inwieweit dies der Mobilität, der Erreichbarkeit des Quartiers und einem reibungslos funktionierenden Verkehrskonzept dient, ist dabei eine ganz andere Frage. Vor allem bedarf dies der Akzeptanz in der Bürgerschaft. Und daran dürfte es in manchen, besser gesagt in häufigen Fällen hapern. Denn: Was bringt ein Wohnquartier, eine Einkaufszone, ein Arbeitsort, den man nicht mehr per Auto mit Transportmöglichkeiten für Waren und persönliche Gegenstände erreichen kann? Bestimmt nicht jedermann möchte sein Auto einfach nur abschaffen und gegen einen „Lastenesel“ tauschen. Zeitfaktor, Wetterverhältnisse, Lebenseinstellung und auch Lebensalter der Betroffenen werden bei dieser grundsätzlichen Entscheidung mit Sicherheit eine zentrale Rolle spielen. Inwieweit man also an den Stellplätzen spart, sollte sehr sorgfältig bedacht werden.
Was könnte noch weiterhelfen?
Zunächst: Ziel muss es insgesamt sein, jetzt aktuell sichere Investitionsbedingungen in einem höchst unsicheren Wirtschaftsklima für die nächsten 10 Jahre verlässlich zu schaffen, wenn man sich nur jetzt zu baulichen Investitionen entscheidet, wie Bauminister Lies nur allzu Recht hervorhob.
Parameter dazu könnten sein:
Die unbürokratische und verkehrswertgünstige Ausweisung kommunaler Grundstücke zur Bebauung, eine deutliche Senkung oder auch eine befristete Abschaffung der Grunderwerbsteuer, ein besser am tatsächlichen Bedarf orientierter Bau barrierefreier und altengerechter Wohnungen und dabei kein Vorgehen nach dem „Gießkannenprinzip“. Motto: Bei einem X Familienhaus muss jede 4. oder jede 8. Wohnung barrierefrei und/oder rollstuhlgerecht sein.
Auch eine Landesbürgschaft, ausgereicht an die Geldinstitute mit einer Marktlage bedingten „Unlust zur Baufinanzierung“ könnte sicherlich den Finanzmarkt dazu stimulieren, wieder günstigeres Baugeld auszureichen. Und das ist bei dem jetzt erreichten Preisniveau auch dringend nötig.